Zwischenruf aus der Ehrenloge: Ein wenig Klartext zu einem altbekannten Thema

Veröffentlicht am 22.02.2023
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Nachdem aktuell wieder einmal ein altbekanntes Thema in der Branche höhere Wellen schlägt, sozusagen eine der Grippewellen der Veranstaltungsbranche, nachfolgend eine unaufgeforderte Wortmeldung der Verärgerung. Es geht um das beliebte Spiel, dass wir als Veranstaltungs- Centren für die Verhinderung von bestimmten Veranstaltungsformaten und Auftritten in unseren Häusern ersatzweise in die Pflicht genommen werden. Dies verbunden mit dem Hinweis, dass man solche Entscheidungen doch wohl von uns als Geschäftsführungen, die mit entsprechender „Sensibilität und Gespür für das Richtige“ ausgestattet sein sollten, erwarten darf.

Solche neuen, alten Vorgaben haben immer schon eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen. Vor allem natürlich:

Welche Veranstaltungsanfragen werden zukünftig durch Verhinderung und Verweigerung durch die Hintertür verboten?

  • Sind es Vortragsveranstaltungen mit inhaltlicher oder kontroverser Zuspitzung (esoterisch, ideologisch, religiös, verschwörungsgeladen)?
  • Sind es Coaching- und Motivationsveranstaltungen, die zur egoistischen Radikalisierung und Interessendurchsetzung aufrufen (gerne auch einmal mit sexistischem Unterton)?
  • Sind es Veranstaltungen, die den Teilnehmenden zukünftigen Reichtum und ein traumhaftes Leben versprechen, das in der Regel nur für die Vortragenden aussichtsreiche Chancen hat?
  • Sind es Beratungsveranstaltungen und Vorträge im gesundheitlichen Kontext, die zu fragwürdigen bis gesundheitsgefährdenden Methoden und Medikationen aufrufen?
  • Sind es Verkaufsveranstaltungen mit Angeboten, die als unangemessen, ungesund, klimaschädlich oder anderweitig kontrovers oder unzeitgemäß betrachtet werden (Safari-Angebote mit Tierjagden, Kreuzfahrt- und Fernreiseangebote, Autosalons mit SUV-Fahrzeugen, Tuningmessen, Angebote für Rauchwaren und Alkoholika u.v.m.)

Dann natürlich:

Wer genau hat bei all diesen Veranstaltungsformaten zukünftig die Entscheidungshoheit und wie wird diese dann genutzt und eingesetzt? Und wo fängt es bitte zukünftig an und wo hört es auf? Denn hier ist dann durchaus vieles denkbar und möglich. Von vorauseilendem Gehorsam, um Ärger zu vermeiden bis hin zur gezielten Steuerung aufgrund eigener Präferenzen und Vorlieben sowie ideologisch-weltanschaulich, religiöser Neigungen.

Neben all diesen Fragen und Fragwürdigkeiten gibt es im Übrigen auch noch die Notwendigkeit der formalen Betrachtung einer solchen Vorgehensweise. Hier gilt neben den besonderen Bestimmungen des Parteiengesetzes für zugelassene Parteien für alle anderen Anfragen zusätzlich eine allgemeine Anspruchsberechtigung für Veranstalter und Einzelpersonen, wenn sie öffentliche Veranstaltungs- Centren anmieten wollen.

Dies ist der bekannte sogenannte Kontrahierungszwang. Dieser schafft einen Rechtsanspruch, wenn nicht durch eine verbindlich und nachvollziehbare Einschränkung des Nutzungszwecks des Veranstaltungs- Centrums besondere Voraussetzungen geschaffen wurden. Was bei nahezu allen öffentlichen Veranstaltungs- Centren nicht der Fall ist und im Übrigen durchaus auch juristisch weiter angreifbar ist.

Schlussendlich bedarf es dann auch der Klärung der Auswirkungen solcher Vorgaben für die zukünftige Erreichung bzw. Nichterreichung der wirtschaftlichen Ziele des Veranstaltungs- Centrums. Denn wirtschaftliche Vorgaben erreicht man nun einmal üblicherweise nicht dadurch, dass man gezielt und absichtlich weniger Geld verdient. Und genau diese Ziele werden aktuell bei immer leereren öffentlichen kommunalen Kassen wieder einmal vielerorts massiv in den Vordergrund gestellt.

Insgesamt ist es die Wahrheit, dass es immer eine gewisse Anzahl von Veranstaltungen geben wird, die man mit Fragezeichen versehen kann. Sie werden in den Veranstaltung- Centren durchgeführt, weil dies die zugeordnete Aufgabe unserer Einrichtungen ist. Sie sind nun einmal von Allen (mit Steuergeldern) für alle und alles gebaut worden, was nicht verboten ist. Man kann eine ganze Reihe von Veranstaltungsangeboten schwierig und problematisch finden.

Man kann sie aus vielerlei Gründen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Sichtweisen für unangemessen, nicht nachvollziehbar und schwer erträglich halten. Und auch wenn eine ganze Reihe von Veranstaltungen bei den Hausleitungen in unseren Häusern immer einmal wieder mindestens ein Stirnrunzeln bis häufiger ein Zähneknirschen verursachen, kann doch die Antwort nicht eine zukünftige „Quasi- Vergabe nach Gutsherren- und -Frauenart“ sein.

Denn auch solche Veranstaltungen gehören, wenn sie die rechtlichen Rahmenbedingungen und Spielregeln einhalten, zu unserer demokratischen, toleranten und liberalen gesellschaftlichen Verabredung. Und dann müssen sie eben manchmal auch ausgehalten werden. Selbst wenn es vielleicht zusätzlich auch noch Beifall von einer unerwünschten Seite gibt.

Unsere gesellschaftliche Vereinbarung sieht vor, dass mündige, erwachsene Mitglieder der Gesellschaft das Recht haben, solche Angebote in Anspruch nehmen zu dürfen. Erst recht, wenn diese gegen Eintritt in geschlossenen Räumen und üblicherweise auch in einer weitgehend geschlossenen Gruppe oder Community angeboten werden. Bei solchen Veranstaltungen findet im Normalfall keine flächendeckende und raumgreifende Indoktrination statt, und wenn man dies so sehen und verhindern will, hätte man mit der Bearbeitung entsprechender Aktivitäten im Netz wahrlich genug zu tun. Hier erfolgt inzwischen die wirkliche massenhafte Verbreitung und Wahrnehmung und hier werden auch die Geschäftsmodelle und Plattformen realisiert, die erst die wirtschaftlichen Voraussetzungen schaffen, um Hallen als analoges „Sahnehäubchen“ anmieten und weiteren Gewinn generieren zu können.

Die fast schon bemitleidenswert erfolglose Bearbeitung dieses Themas als Teil unserer schwer optimierungsbedürftigen Digitalisierungskompetenz wäre wahrlich eine intensivere Anstrengung und Thematisierung wert. Wenn dann noch in Einzelfällen der Verbotsüberbietungswettbewerb mit Profilierungsbedarf und das dadurch erst verursachte mediale, teilweise bewusst hysterische Begleitgetöse deutlich leiser und überlegter werden würde, gäbe es eine gute Chance, eine ganze Reihe dieser Veranstaltungen schlicht und ergreifend stillschweigend auszutrocknen.

Aber stillschweigend scheint in unserer heutigen Zeit keine erstrebenswerte Art der Bearbeitung mehr zu sein. In keinem Fall ist es der richtige Weg, die Veranstaltungs- Centren und ihre Leitungen als Quasi-Zulassungsinstanz zu instrumentalisieren. Denn dies ist das genaue Gegenteil unserer eigentlichen Aufgabe: Nämlich Bühnen und Aktionsflächen für breit gefächerte Angebote der Unterhaltung und der Begegnung für Austausch und Diskurs anzubieten.

Veranstaltungs- Centren sind nicht für eine Neujustierung des Versammlungs- und Veranstaltungsrechts sowie für Interpretationen der Akzeptanz von Meinungsfreiheit oder des Parteienrechts zuständig und sollten dafür auch nicht in die Pflicht genommen werden. Veranstaltungs- Centren können nicht die nicht erfolgten bzw. nicht durchgesetzten Entscheidungen der zuständigen Instanzen in unserem Rechtsstaat kompensieren. Die teilweise Erfolglosigkeit dieser zuständigen Bereiche kann nicht dadurch ausgeglichen werden, dass man dafür das schwächste Glied in der Kette für zuständig erklärt.

Wenn etwas die rechtsstaatlichen Spielregeln verletzt, gehört es verboten. Dann wird es auch nicht stattfinden. Und zwar nicht, weil die Veranstaltungs- Centren ihre Räume nicht zur Verfügung stellen, sondern weil es von den zuständigen Instanzen unseres Rechtsstaats untersagt worden ist. Das ist der richtige Weg.

Alles andere führt zu Willkür, Undurchschaubarkeit und Misstrauen. Und das ist dann genau die Stimmung, die Verschwörungstheorien erst hoffähig macht.

So, das musste jetzt einmal raus.

Mit besten Grüßen aus der Ehrenloge

Joachim König
Ehrenpräsident EVVC

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