Learning from Disasters – oder auch nicht …

Veröffentlicht am 26.10.2022
article image Quelle: IBIT GmbH

In diesen Tagen läuft in den Kinos der Film "November" an, der sich mit Lage in Paris am 13. November 2015 beschäftigt, nachdem dort eine Reihe terroristischer Anschläge verübt wurde.
Im Trailer findet sich bereits der Satz "wir sind auf so etwas vorbereitet" - aber mal ehrlich; sind wir das wirklich?

Die Diskussion hat vermutlich fast jede:r der/die sich mit der Sicherheitsplanung von Veranstaltungen beschäftigt, schon einmal gefragt: worauf soll/muss ich mich vorbereiten?

Spannenderweise tauchen Ereignisse wie „Ein großes Loch tut sich im Boden auf“ oder ein Flugzeugabsturz eher selten auf der Liste der Szenarien auf, die im Rahmen von Veranstaltungen standardmäßig vorbereitet werden. Ersteres ist durchaus erstaunlich – eine einfache Suche in den gängigen Suchmaschinen spuckt so viele Löcher im Boden aus, dass man sich wundert, dass wir nicht alle inzwischen hineingefallen sind. Flugzeugabstürze passieren glücklicherweise deutlich seltener – aber eben auch nicht nicht, wie die Besucher einer Zirkusveranstaltung letztlich feststellen mussten .

Nun würde niemand der hier Schreibenden und sicherlich auch niemand der diesen Text Lesenden dafür eintreten, dass aufgrund des oben genannten Ereignisses fortan Flugzeugabstürze auf der Liste der eintrittswahrscheinlichen Szenarien auftauchen sollten … aber …

Aber es wäre auch eine vertane Chance, das Ereignis einfach zu ignorieren, denn es ist nun einmal passiert und das Konzept „Learning from Disasters“ ist sicherlich eines der wichtigsten, insbesondere in Deutschland aber am meisten ignorierten Konzepte der Sicherheitsplanung. Die Frage, warum die Fehlerkultur in Deutschland so schlecht ist, hat sicherlich einen eigenen Text verdient, aber gestellt werden muss sie ganz sicher: woraus sollen wir lernen, wenn niemand darüber sprechen möchte?

Dies bringt uns nun (endlich) wieder zurück zum eingangs erwähnten Film. Die Ereignisse in Paris, insbesondere die Schüsse im Bataclan waren nach der Loveparade sicherlich die eindrücklichsten Geschehnisse der jüngeren Sicherheitsplanung für Veranstaltungen – aber der tatsächliche Lerneffekt war minimal. Neben den so nachvollzieh- wie erwartbaren Sofortmaßnahmen (Taschenverbote, Scanner an den Eingängen) ist die eine Seite der Aufarbeitung bei der Polizei gelandet und wurde von dort nicht oder nicht ausreichend weitertransportiert. „Terrorabwehr ist nicht Aufgabe des Veranstalters“ – das Standardmantra all derer, die sich aus durchaus verschiedenen Gründen dem Thema verweigern. Und ja – das ist natürlich auch so. Aber wenn sie denn dann doch bei uns vor der Tür stehen? Die Menschen mit den Gewehren und dem Willen uns, unsere Besucher, unsere Mitwirkenden zu töten? Sollen wir Ihnen sagen, dass wir für Sie nicht zuständig sind?

Ganz bestimmt und ganz glücklicherweise handelt es sich nicht um ein eintrittswahrscheinliches Szenario – aber sich nicht damit zu beschäftigen nimmt Menschen die Chancen, sich ordentlich vorzubereiten. Warum machen wir Löschübungen? Weil wir vorbereitet sein wollen. Die Verfasserin dieses Artikels hat im Rahmen ihrer Arbeit bei Veranstaltungen an sicherlich mehr als 20 Löschübungen teilgenommen – und noch nie ein Feuer löschen müssen. Mehr Löschübungen werden folgen, ganz sicher – durchaus in der Hoffnung, das Gelernte nie anwenden zu müssen aber zufrieden mit dem Wissen, es im Ereignisfall zu können. Aber zurück zu den Terroristen (oder anderen Menschen, die aus welcher Motivation auch immer anderen Menschen schaden möchten).

Im Gegensatz zum Entstehungsbrand ist hier sicher kein proaktives Vorgehen gefragt. Im Gegenteil: Run – Hide – Tell heißt die Devise. Wäre dies ein Vortrag, käme jetzt eine Frage ans Publikum: „wer kennt das Faltblatt der deutschen Polizei „Flüchten. Verstecken. Alarmieren.“? Erfahrungsgemäß melden sich auf diese Frage immer einige wenige Menschen – immerhin: ein Anfang. Also: was ist zu tun? Weglaufen. Absolut. Und wie gut wäre es, wenn die Wege bekannt wären, die Wege, die in sichere Bereiche führen. Aber halt! „Sichere Bereiche“ darf man nicht sagen, denn das macht den Leuten Angst. Kein Scherz, sondern eine Reaktion auf den Vorschlag zu einer entsprechenden Sicherheitsunterweisung. Die Begründung erinnerte ein wenig an den berühmt-berüchtigten Satz „Teile dieser Antwort würden …“. Spannenderweise fiel genau dieser Satz im Kontext der Ereignisse von 2015 – im Kontext der Absage des Länderspieles im November 2015 sagte der Bundesinnenminister: "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern"

Wie aber sollen wir vorbereitet sein, wenn wir nicht bereit sind, von dem, was anderen passiert ist, zu lernen? Denn es ist passiert – einen Grund, dass es nicht noch einmal passieren kann, gibt es nicht. Ein Flugzeug kann abstürzen – vielleicht das nächste Mal nicht auf den Parkplatz, sondern auf das Venue. Unser Haus, unsere Veranstaltung kann angegriffen werden – egal von wem.

Es geht nicht darum, Schreckensszenarien heraufzubeschwören. Oder Angst zu machen. Im Gegenteil. Es geht um einen unaufgeregten Umgang mit Anfälligkeiten, mit Möglichkeiten und auch Grenzen.

Und dann können wir vielleicht auch irgendwann zustimmen nicken, wenn der Mann im Trailer sagt „wir sind auf so was vorbereitet“.

IBIT Geschäftsführerin Sabine Funk wird sich im Rahmen der 8. IBIT Fachtagung Veranstaltungssicherheit  mit den Learnings aus der sog. Manchester Arena Inquiry auseinandersetzten – also dem Prozess, in dem es um den Anschlag auf das Ariane Grande Konzert in Manchester geht. Im Mittelpunkt des Vortrags steht die Frage „Was würden Sie auf diese Frage antworten…“

Wer mehr über das Konzept und die Möglichkeiten erfahren möchte, kann uns gerne kontaktieren oder sich einmal in unserem Kursangebot umsehen.

www.ibit.com

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