Das Recht auf Mietminderung für die Betreiber von Versammlungsstätten: „Umfeldrisiken“ ausgelöst durch behördliche Verbote!

Veröffentlicht am 28.04.2020
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Ein Beitrag von Rechtsanwalt Volker Löhr, Kanzlei Löhr (Bonn), www.kanzleiloehr.de
Stand: 27. April 2020


Die neue Rechtslage zum Kündigungsschutz sollte überall bekannt sein. Deshalb in aller Kürze: Für die Dauer von zwei Jahren darf eine außerordentliche Kündigung wegen nicht geleisteter Mietzahlungen, die den aktuellen Zeitraum vom 01.04.2020 bis zum 30.06.2020 betrifft, nicht erfolgen. Werden die in diesem Zeitraum einbehaltenen Mieten nicht anschließend innerhalb von 2 Jahren an den Vermieter gezahlt, darf dieser ab dem 1. Juli 2022 außerordentlich fristlos wegen rückständiger Miete kündigen. Wichtig zu wissen ist dabei, dass damit keine (neue) rechtliche Anspruchsgrundlage geschaffen wurde, die es Mietern erlaubt, ihre Mietzahlungen grundsätzlich zu verweigern. Mieter können sich nach § 2 des Art. 240 EGBGB gerade nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen. Bei Corona-bedingten Zahlungsrückständen ist für den Vermieter nur die Möglichkeit einer Vertragsbeendigung im Wege der (außerordentlichen) Kündigung bis zum 30.06.2022 ausgeschlossen. Dies betrifft grundsätzlich auch die vertraglichen Beziehungen von Mietern bzw. Pächtern von Versammlungsstätten und sonstigen Versanstaltungslocations, soweit die Immobilie bei der Stadt oder einem privaten Dritten angemietet/gepachtet ist.

Sind auch Mietminderungen ausgeschlossen?Eine Verringerung und unter Umständen auch eine vollständige Einstellung der Mietzahlung ist unter Berufung auf das allgemeine mietrechtliche Leistungsstörungsrecht grundsätzlich weiterhin möglich. Der neue § 2 des Art. 240 EGBG steht dem in keiner Weise entgegen. Es geht hierbei um das Recht zur Mietminderung nach § 536 Abs. 1 BGB bzw. für Pachtzahlungen nach § 581 Abs. 2 i.V.m. § 536 Abs. 1 BGB.

Der Gesetzgeber hat mit der zeitlich befristeten Kündigungsschutzregelung keine Ausnahme von der Ausübung des Mietminderungsrechts geschaffen.

Worin kann ein Mietminderungsgrund liegen?

Als „Umwelt- oder Umfeldmangel“ (nachfolgend Umfeldmagel) bezeichnet man in der Rechtsprechung einen Mangel, der von außen auf die Mietsache einwirkt. Dazu zählen, als Beispiel, länger andauernde Lärm- und Staubbelästigungen infolge von Baustellen in direkter Umgebung der Miet-/Pachtsache aber auch gesetzliche oder behördliche Verbote, die bei Vertragsabschluss weder für den Vermieter noch für den Mieter zu erkennen waren. Man erinnere sich zum Beispiel noch an die Einführungsphase des gesetzlichen Rauchverbots in der Gastronomie und daran, wie sich die Schaffung abgetrennter Raucherbereiche auf Raucherkneipen ausgewirkt hat.  Behördliche Maßnahmen und Anordnungen, wie sie aktuell auf Basis des Infektionsschutzgesetzes erlassen werden, zählen exakt zu einem solchen, durch die Rechtsprechung entwickelten Umfeldmangel.

Ein Umfeldmangel kommt aber nur dann für den Mieter als Mietminderungsgrund in Betracht, wenn er sich auch unzweifelhaft auf den vertraglich vereinbarten Mietzweck und die Nutzbarkeit der Mietsache auswirkt.

Die entscheidende Frage hierbei ist, wessen Risikosphäre, also der Sphäre des Vermieters oder der Sphäre des Mieters, der Umfeldmangel entspringt oder wem er nach Billigkeitserwägungen zuzuweisen ist. Der deutsche Gesetzgeber hat es leider, anders als in Österreich, bislang der Rechtsprechung überlassen, diese Entscheidung zu treffen. In Österreich werden in einer solchen Situation beide Vertragsparteien von ihrer Leistungspflicht zumindest vorübergehend (anteilig) frei.

Das Fehlen einer solchen Regelung im deutschen BGB wird absehbar in unzähligen Prozessen unsere Gerichte beschäftigen. Die Frage an die Rechtsprechung lautet: Lässt sich überhaupt eine nach Billigkeitserwägungen nachvollziehbare Begründung finden, das Risiko der vorliegenden Ereignisse einer Seite zuzuweisen? Gewichtige Argumente sprechen dafür, die Ursache, auf denen die aktuellen Verbotsverfügungen beruht – also die weiterhin schwer einzuschätzende Entwicklung des Infektionsrisikos – keiner der beiden Vertragsparteien innerhalb ihrer Risikosphäre zuzuordnen.

Der in Politik und Öffentlichkeit noch nicht verhallte Aufschrei gegen Mietminderungen von Großunternehmen, die eine vollständige Aussetzung ihrer Miete vor Kurzem verkündet und dann wieder zurückgenommen haben, ist vor dem dargestellten Hintergrund nicht nachzuvollziehen. Die Empörung bestand darin, dass ein wirtschaftlich gut aufgestellter Mieter ohne wirtschaftliche Notlage von seinem Mietminderungsrecht Gebrauch machen wollte. Es betraf im konkreten Fall also keine notleidenden Unternehmen. Aber ist dies überhaupt zu berücksichtigen? Soll man wirtschaftlich gesunde Unternehmen bei vergleichbarer Ausgangslage rechtlich anders behandeln als notleidende Firmen? Muss allein der gewerbliche Mieter / Pächter das Risiko der Corona-Pandemie finanziell erdulden und der Beteiligungsbeitrag auf Vermieterseite lediglich darin bestehen, eine Einschränkung seines Kündigungsrechts aktuell hinnehmen zu müssen? Die gesellschaftspolitische Gesamtdimension wird sich in den kommenden Monaten noch zeigen, wenn reihenweise bestehende gewerbliche Miet- und Pachtverhältnisse notleidend werden.

Die durch die Rechtsprechung aktuell noch nicht entschiedene Frage ist, in wessen Risikosphäre das aktuell von außen auf die Miet-/ Pachtssache einwirkende „Umfeldrisiko“ fällt?

Liegt das Risiko auf Verpächter- oder Pächterseite – oder betrifft es beiden Seiten?

Wir gehen von einem geteilten Risiko aus, mit der Folge, dass für den Mieter/ Pächter eine Mietminderung nach § 536 Abs. 1 BGB (für Pachtverträge iVm § 581 Abs. 2 BGB) möglich ist.

Mietern/Pächtern von Versammlungsstätten und sonstigen Veranstaltungslocations empfehlen wir, fällige Miet- bzw. Pachtzinsen ab sofort nur noch unter dem Vorbehalt der Minderung zu leisten. Wer nämlich in Kenntnis einer Nichtschuld leistet, hier also ohne jeden Vorbehalt zahlt, kann später das, was er geleistet hat, nicht mehr zurückfordern. Er sollte also ausdrücklich den Vorbehalt der Mietminderung wegen eines Umfeldmangels bei der Zahlung erklären (vgl. Rechtsgedanke des § 814 BGB). Der Kenntnis gleichgestellt wird hierbei auch ein Irrtum, der auf einer Fehleinschätzung der Rechtslage beruht.


 Rechtsanwalt Volker Löhr 
   Volker Löhr berät mit seiner Bonner Kanzlei seit mehr als 20 Jahren in allen Fragen rund um das
   rechtliche Vertragsmanagement bei der Durchführung von Veranstaltungen. Betreiber von Stadien,
   Messeplätzen und Konferenzzentren zählen ebenso zu seinen Kunden, wie deren Servicepartner in
   Technik, Sicherheit und Gastronomie. www.kanzleiloehr.de

 

 


Zwei Beispiele für mögliche Mietminderungserklärungen sind nachfolgend dargestellt. Die Erklärung sollte unter Berücksichtigung der vertraglich vorgesehenen Schrift- bzw. Textformerfordernisse - u.U. per Einschreiben - an Ihren Vermieter/Verpächter übersandt werden.

MIETVERTRAG: Beispiel eines Schreibens zur Zahlung unter Vorbehalt zur Mietminderung

„Sehr geehrte Damen und Herren …,

wir möchten Sie darüber informieren, dass wir aufgrund der aktuellen behördlichen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus den Mietzins für (MIETOBJEKT) ab sofort unter dem Vorbehalt eines Rechts zur Minderung nach  § 536 Abs. 1 BGB leisten.

Bei den vorbezeichneten behördlichen Maßnahmen (insbesondere aufgrund der Corona-Schutzverordnung des Landes XXXX) handelt es sich nach unserer Auffassung um einen sog. Umwelt- bzw. Umfeldmangel im mietvertraglichen Sinne. Als Umwelt- oder Umfeldmangel bezeichnet man in der Rechtsprechung einen Mangel, der von außen auf die Mietsache einwirkt. Dazu zählen insbesondere gesetzliche oder behördliche Verbote, die bei Vertragsabschluss weder für den Vermieter noch für den Mieter zu erkennen waren.

Der Mangel wirkt sich aktuell sowohl auf den vertraglich vereinbarten Mietzweck als auch auf die Nutzbarkeit des Mietgegenstandes selbst aus. Aufgrund dessen sind die wechselseitigen vertraglichen Risikosphären des Mieters sowie des Vermieters in gleicher Weise von den Maßnahmen betroffen.

Die Höhe der Minderung werden wir Ihnen, abhängig von der zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend einzuschätzenden Dauer und Schwere der behördlichen Maßnahmen, erst zu einem späteren Zeitpunkt mitteilen können.

 

PACHTVERTRAG: Beispiel eines Schreibens zur Zahlung unter Vorbehalt zur Pachtminderung

„Sehr geehrte Damen und Herren …,

wir möchten Sie darüber informieren, dass wir aufgrund der aktuellen behördlichen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus, den Pachtzins für (PACHTOBJEKT) ab sofort nur noch unter dem Vorbehalt eines Rechts zur Minderung nach § 581 Abs. 2 iVm. §  536 Abs. 1 BGB leisten.

Bei den vorbezeichneten behördlichen Maßnahmen (insbesondere aufgrund der Corona-Verordnung des Landes XXXX) handelt es sich um einen sog. Umwelt- bzw. Umfeldmangel im pachtvertraglichen Sinne. Als Umwelt- oder Umfeldmangel bezeichnet man in der Rechtsprechung einen Mangel, der von außen auf die Mietsache einwirkt. Dazu zählen, als Beispiel, länger andauernde Lärm- und Staubbelästigungen infolge von Baustellen in direkter Umgebung der Mietsache ebenso wie gesetzliche oder behördliche Verbote, die bei Vertragsabschluss weder für den Verpächter noch für den Pächter zu erkennen waren.

Dieser Umwelt- oder Umfeldmangel wirkt sich aktuell sowohl auf den vertraglich vereinbarten Pachtzweck als auch auf die Nutzbarkeit des Pachtgegenstandes selbst aus. Aufgrund dessen sind die wechselseitigen vertraglichen Risikosphären des Pächters sowie des Verpächters in gleicher Weise von den Maßnahmen betroffen.

Die Höhe der Minderung werden wir Ihnen abhängig von der zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend einzuschätzenden Dauer und Schwere der behördlichen Maßnahmen erst zu einem späteren Zeitpunkt mitteilen können.

 

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