Berechtigt Putinnähe zur außerordentlichen Vertragsauflösung? Zum Umgang mit russischen Vertragspartnern in der Veranstaltungsbranche - Ein Beitrag von RA Ulrich Poser, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Veröffentlicht am 28.03.2022
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Quelle: Ulrich Poser

Der russische Chefdirigent Valery Gergiev musste kürzlich seinen Hut bei den Münchner Philharmonikern nehmen. Die deutsche Künstleragentur von Anna Netrebko hat die Zusammenarbeit mit der weltberühmten Sopranistin gerade beendet. In beiden Fällen lagen die Gründe vermutlich in der Putinnähe der Künstler und deren mangelnder Distanzierung vom russischen Regime.

Mehrere Messeveranstalter aus Deutschland stellten ihre Aktivitäten für russische Aussteller mittlerweile ein, d.h. sperrten diese von den Messen aus. „„Zum Ukraine-Krieg hat die Messe Frankfurt eigentlich eine klare Haltung formuliert: Es sei eine russische Invasion, die "auf nie dagewesene Weise das friedliche Zusammenleben in Europa" bedrohe, heißt es in einer Pressemitteilung vom 1. März. Deshalb unterstütze die Messe die internationalen Sanktionen gegen Russland und setze Veranstaltungen ihrer dortigen Tochtergesellschaft Messe Frankfurt RUS bis auf Weiteres aus““[1].

Es stellt sich die Frage, ob man Verträge mit russischen Vertragspartnern nach deutschem Recht wegen des kriegerischen Einmarschs Russlands in die Ukraine wirksam außerordentlich kündigen kann.

Höhere Gewalt
Kriegerische Auseinandersetzungen unterfielen in der Rechtsprechung in der Vergangenheit mehrfach dem Begriff der Höheren Gewalt. Folge kann - je nach Vertrag - eine folgenlose Vertragsauflösung sein.

Da die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen aber weder in Deutschland noch in Russland stattfinden, wird ein Krieg in der Ukraine im deutsch-russischen Vertragsverhältnis nicht ohne Weiteres dem Begriff der Höheren Gewalt unterliegen.

Teil des aktuellen EU-Sanktionspaketes ist u.a. auch die Sperrung des deutschen Luftraumes für russische Flugzeuge. Kann z.B. ein russischer Künstler aus diesem Grunde nicht zum Auftrittsort nach Deutschland kommen, unterfällt dies voraussichtlich Höherer Gewalt. Folge kann sein, dass der Vertrag damit folgenlos aufgelöst ist. Maßgeblich ist dabei natürlich, welche konkrete Regelung im Vertrag zu Höherer Gewalt getroffen ist oder ob im Einzelfall auf die Regelung des § 313 BGB zurückgegriffen werden muss.

Hat sich beispielsweise eine russische Ballettkompanie in eine deutsche Stadthalle zwecks Aufführung einer Ballettgala eingemietet und ist diese auch im Stande anzureisen, z.B. per Bus, sind die beiderseitigen Leistungen durchaus möglich: Das Ballett kann in Deutschland auftreten und die Halle kann ihren Saal vermieten. Eine Leistungsstörung liegt in diesem Falle faktisch nicht vor. Diese Konstellation unterfällt nicht der Höheren Gewalt.

Kündigung wegen falscher Gesinnung?
Wie in den Fällen Gergiev und Netrebko wollen manche deutschen Vertragspartner ihre Verträge mit russischen Vertragspartnern aber wegen des kriegerischen Einmarsches Russlands in die Ukraine außerordentlich kündigen und tun dies auch.

Nach Auffassung des Autors kann dies im Einzelfall rechtlich schwierig werden. Zwar hat die EU ein umfangreiches Sanktionspaket gegen Russland beschlossen, welches auch bestimmte Handels- und damit Vertragsverbote enthält (z.B. Stahllieferungen). Darüber hinaus ist es aber rechtlich bedenklich, grundsätzlich erfüllbare Verträge wegen Putinnähe, der falschen Gesinnung oder mangelnder Distanzierung ohne sonstigen weiteren Grund zu kündigen.

Hat ein russischer Künstler oder ein russisches Unternehmen unmittelbar nichts mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine zu tun, werden allein die russische Herkunft oder Putinnähe als Gründe für eine außerordentliche Kündigung eines grundsätzlich erfüllbaren Vertrages nach Auffassung des Autors nach deutschem Recht eher nicht ausreichen. Ein Gesinnungsstrafrecht existiert in Deutschland ebenso wenig wie eine Sippenhaftung. 

Sicherlich werden die deutschen Gerichte dazu zeitnah eine Reihe von Entscheidungen treffen.

Auf einem ganz anderen Blatt steht die Frage, ob sich Netrebko und Gergiev nicht schämen sollten, einen solchen Mann zum Freund bzw. Bekannten zu haben oder sich nicht unmissverständlich von ihm zu distanzieren, wie das mehrfach gefordert wurde. Die Antwort darauf ist aber nach Auffassung des Autors deren Privatsache.

- Ulrich Poser


Ulrich Poster engagiert sich als Kooperationsawalt für den EVVC und steht seinen MItgliedern für rechtliche Fragen zur Verfügung. Zudem haben Mitglieder die Möglichkeit, an qualitativen und vielseitigen Inhouse- Schulungen rund um Veranstaltungsthemen teilzunehmen: Infos unter https://poser-seminare.de/.

Die nächste Rechtsfragen-Veranstaltung mit Herrn Poser zum Thema: "Kann man Verträge mit russischen Vertragspartnern wirksam außerordentlich kündigen?", findet am 20. April 2022 statt. Anmelden können Sie sich hier.

[1] Siehe Beitrag Tobias Lübben; https://www.hessenschau.de/wirtschaft/trotz-sanktionen-wegen-ukraine-krieg-russische-tochter-der-messe-frankfurt-irritiert-mit-putin-werbung,ukraine-messe-frankfurt-100.html

 


 

 

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